Ressentiment
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
Nietzsches Beschreibung des Ressentiments hat bis heute den Begriff vergiftet. In seiner „Genealogie der Moral“ stellt er die Moral des Herrenmenschen gegen die Sklavenmoral. Der Sklave bildet, da er sich selbst und der Welt gegenüber unfrei ist, ein „Schielen der Seele“ aus. Er schaut mit neidischem Blick auf das schöne Leben der anderen. Der Neid treibt ihn aber nicht dazu, selbst auch ein schönes Leben zu wollen, sondern frisst sich als Gift in seine Existenz. Er wird unglücklich und will darum, dass alle anderen auch nicht glücklich sein sollen. Das Re-Sentiment ist sein rückwärtsgewandtes Gefühlsgedächtnis, das ihn in jedem guten Moment an das eigene Unglück erinnert und so mit einem Schatten überzieht.
Die Ausbildung dieser Charaktereigenschaft hat Nietzsche in eine biblische Vorzeit verlegt, als die Juden in Gefangenschaft oder Verbannung geraten waren und darum ein Mittel ersinnen mussten, um gegen die Übermacht der Unterdrücker bestehen zu können. Das Mittel ist seiner Meinung nach das Ressentiment, mit dem sich die Juden „durch eine radikale Umwerthung von deren Werthen, also durch einen Akt geistiger Rache Genugthuung zu schaffen wussten.“41 Die berühmt gewordene Umwertung aller Werte besteht für Nietzsche darin, dass von nun an alle Werte nur noch relativ sind und darum...