Hinter der Wand
Über Sprache und Zeitgenossenschaft
von Kathrin Röggla
Erschienen in: Arbeitsbuch 2020: Stück-Werk 6 – Neue deutschsprachige Dramatik im Porträt (07/2020)
Assoziationen: Dramatik
Hören Sie auch dieses Flüstern? Diese kleine Besprechung hinter der Wand? Das geht jetzt schon eine ganze Zeit so. Zu gerne hätte man gewusst, was die beiden da besprechen. Nachdem es so laut war, nachdem eine ganze Weile gebrüllt wurde – Sätze, von denen wir auch nichts verstanden haben –, diese Stille, das heißt, diese nur spürbare Unterhaltung, als ob etwas verabredet würde. Wäre es Theater, wäre es eine Szene von Philippe Quesne. Ist es aber nicht. Wir wollen verstehen, wollen wissen, was da vor sich geht. Nicht etwa, weil unser Leben davon abhängt, es ist die soziale Neugier, das Grundinteresse an dem, was rund um uns passiert, was im Theater auf den Punkt gebracht wird, indem unser historischer Standpunkt fasslich gemacht wird. Zur Kenntlichkeit entstellt. Diese theatrale Deutlichkeit geht uns in Zeiten der Kontaktsperre gerade ab, und vielleicht deswegen sitzen wir jetzt da und rätseln über Beckett-Figuren oder darüber, warum jemand Hamlet oder nicht Hamlet sein könnte, wir starren auf den fehlenden Text, könnte man sagen, und die nebenan machen einfach weiter.
Es heißt, alle kehren jetzt zurück nach dem großen Lockdown. Zurück in die Städte, in die Straßen, zurück in die Museen und in die Theaterhäuser, in die...