Ein zentrales Motiv in Olivia Wenzels Roman „1000 Serpentinen Angst“ sind Bildbeschreibungen. Wiederkehrend mit „picture this“ einleitend, ruft die Erzählerin ihre Leserinnen und Leser dazu auf, sich Bilder zu machen. Dies können Vergegenwärtigungen existierender Motive aus dem kulturellen Gedächtnis oder auch die Imaginationen fiktionaler Familienfotos sein. „Picture this“ meint aber auch: sich ein möglichst komplexes Bild von den Figuren zu machen – von der Punker-Mutter, der SED-treuen Oma oder dem angolanischen Vater, der die Familie auf Druck des Staats verlassen musste. Und es meint, sich gemeinsam mit der Ich-Erzählerin ihre Lebenswirklichkeit als schwarze, ostdeutsch sozialisierte Frau mit all den Alltagsrassismen und dazugehörigen Ängsten, welchen sie seit der Kindheit ausgesetzt ist, vor Augen zu führen.
Am Maxim Gorki Theater Berlin hat Regisseurin Anta Helena Recke den Roman für die Bühne adaptiert. Dabei entscheidet sie sich zunächst für eine Vervielfältigung der Erzählstimmen. Die insgesamt zwölf Darstellenden sind zwar einzelnen Figuren zugeordnet, verkörpern diese aber nicht. Recke verweigert damit eine szenische Bebilderung und überträgt so nicht nur das Romanmotiv, Abwesendes durch Bildbeschreibungen zu vergegenwärtigen, auf die Bühnensituation, sondern erweist sich mit ihrer dritten großen Produktion abermals als Theaterkünstlerin, der es gelingt, pointierte, übergeordnete Bilder zu schaffen.
Anstatt zum Beispiel Szenen aus dem Roman,...