Gefühlsökonomie und Political Correctness
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lob des Realismus (05/2015)
Assoziationen: Debatte
Die Gefühlsökonomie der Postmoderne hat eine komplexe Waffe für sich konstruiert, mit der Opfer gegen hegemoniale Kräfte kämpfen können. Dieser komplizierte Kampf wird gemeinhin als Political Correctness bezeichnet, und es verbergen sich darin einige moralische und zum Teil widersprüchliche Argumentationsformen.45 Wesentlich für das Sprechen im Modus der PC ist die klare Unterscheidung in eine Opfer- und eine Tätergruppe. Der erste Schritt besteht darin, dass die Opfergruppe sich selbst wahrnimmt und daraufhin beginnt, an der Veränderung ihres Status zu arbeiten. Dabei bedient sie sich des klassischen Mittels der Aufklärung, der Publizität. Sie reklamiert öffentlich für sich den Status des Opfers. Damit ist sie aus der privaten oder verborgenen Nische herausgetreten und wird für sich selbst und die Welt zu einer Realität, zu der diese sich nun verhalten muss.
Für die Ausformulierung der eigenen Position werden nun zwei diskursive Praktiken miteinander verbunden, die zu der PC-typischen Vehemenz und Widersprüchlichkeit führen. Zum einen wird mit der Methode der Dekonstruktion gearbeitet: Die Realität ist eine durch Verabredungen geformte Summe von Konventionen. Die Konventionen sind geronnene Macht, die durch einen unkritischen Alltag immer wieder bestätigt wird. Erst durch die Offenlegung der hegemonialen Kräfte in den Regeln können diese als veränderbare Interessen erkannt werden. Die...