„Kindgerechte“ Auseinandersetzungen?
Zur Textauswahl von SCÈNE 18
von Leyla-Claire Rabih und Frank Weigand
Erschienen in: Scène 18: Neue französische Theaterstücke (11/2015)
Assoziationen: Dramatik Kinder- & Jugendtheater
Vor nunmehr acht Jahren erschien in der Reihe SCÈNE ein Band zum Thema Kinder- und Jugendtheater, der bereits einen ersten Eindruck von der Fülle dramatischer Texte für junges Publikum im französischen Sprachraum lieferte. Fast alle der damals vorgestellten Autoren und Theatermacher (Joël Pommerat, Fabrice Melquiot, Joël Jouanneau & Marie-Claire Le Pavec, Daniel Danis, Jean Cagnard und Philippe Aufort) arbeiten auch heute noch erfolgreich und haben sich innerhalb der Institution etabliert. An diese erste Momentaufnahme wollen wir mit dem vorliegenden Buch anschließen – nicht zuletzt da das französische Kultusministerium im vergangenen Jahr die „Belle Saison“ initiiert hat: ein zweijähriges Programm zur besonderen Förderung und Verbreitung der Bühnenkunst für Kinder und Jugendliche.
So populär wie heute war das Kinder- und Jugendtheater jedoch nicht immer: Trotz einer langen Tradition pädagogischer Theaterpraxis (vor allem bei den Jesuiten) etablierte es sich in Frankreich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dabei wurde es zunächst keineswegs als eigenständige Kunstform betrachtet, sondern als pädagogisches Werkzeug, das auf unterhaltsame Art und Weise moralische Prinzipien vermitteln sollte. Bis in die 1960er Jahre hinein sprachen Aufführungen für Kinder noch in erster Linie deren Sinne an. Texte spielten eine eher untergeordnete Rolle.
Die zunehmende künstlerische Bedeutung von Kinder- und Jugendtheater fällt mit...