Theater der Zeit

Max Pross – Das Totenfest nach Jean Genet

Bühne Mara-Madeleine Pieler. Kostüme Clarissa Freiberg. Dramaturgie Finnja Denkewitz. Musik Raphaela Andrade

von C. Bernd Sucher

Erschienen in: Radikal jung 2020 – Das Festival für junge Regie (03/2020)

Assoziationen: Max Pross Jean Genet Schauspielhaus Hamburg

Das Totenfest. Regie: Max Pross. 2019. Foto: Erich Goldmann
Das Totenfest. Regie: Max Pross. 2019. Foto: Erich Goldmann

Liebe kennt keine Grenzen

„Ich liebe ihn noch immer!“, sagt Josef Ostendorf, allein an einem Tisch sitzend, vor sich ein Glas Rotwein. Er trägt – nach vielen Verwandlungen zuvor, nach Kleidungs- und Rollenwechseln – jetzt nur ein schwarzes Unterhemd, eine weite Unterhose und Kniestrümpfe, eine Perlenkette um den Hals. Ein trauriger, lächerlicher Typ. Nichts versteckt den massigen Körper, das nackte Fleisch. Dieser letzte Satz, gesprochen in die Dunkelheit des Raums, beendet einen Theaterabend, der nur ein Thema hat: die Liebe. Die Liebe eines Mannes zu einem Knaben.

Ostendorfs erste Worte, die er in eine Schreibmaschine hackte, waren ein Geständnis: „Ich liebe junge Männer!“ Wehmütig und zugleich stolz pries er gleich darauf die Schönheit der Knaben und ihr „knabenhaftes Heldentum“ im von den Deutschen besetzten Frankreich. Der korpulente Ostendorf, der sechzigjährige Mann mit der Halbglatze, spielt Jean Genet. Und der sehr junge Paul Behren, knabenhaft, ephebisch, spielt Genets Liebhaber Jean Decarnin. Ihm, der im Kampf fiel, widmete der französische Dichter ein literarisches Totenfest. So auch der Titel des Romans, in dem der Tod zusammen mit der Hochzeit gefeiert wird. In Genets Œuvre sind beide sehr oft Ziel von Leben. Decarnin gehörte zu einer Widerstandsgruppe, die gegen die deutschen Besatzer kämpfte. Während...

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