Theater der Zeit

1. Postmoderne Ästhetik

von Bernd Stegemann

Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)

Warum noch immer von Postmoderne sprechen? Handelt es sich dabei nicht um eine Architekturtheorie der 1970er Jahre oder um eine modische Kulturtheorie der 1980er Jahre? Getragen von einem Aufbruchsgeist und dem Wunsch nach Emanzipation aus fest gefügten Hierarchien, leisteten die Theorien der Dekonstruktion ganze Arbeit. Die Zersplitterung der Machtverhältnisse hat zurückgewirkt auf jedes einzelne Subjekt. Was einst notwendige Arbeit an der Verflüssigung der Verhältnisse war, ist nun zum Zwang für jeden geworden, sich an immer neue Verhältnisse anpassen zu müssen. Die Auflösung aller Verbindlichkeiten führte einst zu dem einheitlich uneinheitlichen Lebensgefühl der Postmoderne. Man lebte nach der Orgie, aber man lebte nicht schlecht mit dem Gefühl einer sanften Melancholie. Die Schlachten schienen geschlagen zu sein, nun konnte man ohne Auftrag seinen ständig wechselnden Launen folgen. Heute hingegen hat sich die Abgeklärtheit des postmodernen Lebensgefühls in einen permanenten Zwang zur Flexibilität der Arbeitskraft verwandelt und die vollständige Erosion einer daran möglichen Kritik herbeigeführt. Aus der postmodernen Party wurde die omnipräsente Kontrollgesellschaft. Alle leben nun als dezentrierte Menschen, immer reaktionsbereit und ohne die falsche Sehnsucht nach einem Daseinsgrund. Die letzten Leidensmomente an der Zersplitterung der Welt oder der Fremdheit des eigenen Lebens scheinen abgeklungen zu sein. Die Kontingenz der Moderne hat ihren...

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