1.3. Raumordnung und Lichtordnung
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Und dennoch: Zwischen Dantes Höllenschilderung und ihrer geometrischen Nachbildung gibt es eben nicht nur einen Bruch. Denn wie bereits in Kapitel I angedeutet, gehen die beiden Texte in gewisser Weise auch Hand in Hand. Auch bei Galilei ist der Ort des Teufels ja nach wie vor Schwerpunkt der Welt, nur eben nicht mehr im Sinn einer qualitativen Bestimmung. Dieses Ineinander verweist darauf, dass Galilei Dante gleichzeitig auch beerbt. Seine geometrische, rein quantitative Darstellung der Hölle erscheint wie eine Leerform der früheren poetischen Schilderung, als hätte man ein Röntgenbild des Gedichtes vor sich, aus dem alle Farbe, alles Fleisch entfernt ist.
Um den Status dieses Erbes zu begreifen, muss man bedenken, dass die Ähnlichkeiten um 1600 zwar aus dem Diskurs ausgeschieden werden, als stumm organisierende Größe am Grund der Mathesis aber sehr wohl erhalten bleiben. Man könnte darum im doppelten Sinn des Wortes sagen, dass die moderne Geometrie dem Ähnlichkeitsdenken und seiner Raumordnung »entspringt«. Besonders plastisch lässt sich diese Entleerung und gleichzeitige Verschiebung von Ähnlichkeitsbeziehungen in die Methoden geometrischer Berechnung und Messung nun am System des Strahlensatzes und der proportionalen Vergrößerung darstellen, das zugleich die zentrale Bedingung der Renaissance-Perspektive ist, wie sie zum erste Mal von Alberti formalisiert wurde: Gerade Strahl...