Magazin
Was für eine Welt!
Der steirische herbst in Graz arbeitet an neuen kulturellen Kartografien
von Theresa Schütz
Erschienen in: Theater der Zeit: Wie es euch gefällt – Christian Friedel vertont Shakespeare (12/2016)
„What / a / world!“ Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich mich in die Neue Galerie Graz zurückversetze. Am Ende der musikalischen Führung „Mikrokosmos“ von vier Sängerinnen und Sängern durch Räume des Museums (Landschaftsmalerei, Naturidyllen, Orientalismus, Impressionismus aus den Jahren 1800–1950) stehen sich Starr Busby und Jonathan Hoard im lichtdurchfluteten Vorraum gegenüber und arbeiten sich stimmlich an dieser Phrase ab. Es ist eine Referenz auf Louis Armstrongs Song, nur ist das Wundervolle abhandengekommen. Mal wird dem Klang der einzelnen Silben ganz sanft nachgelauscht, mal wird er mit aller Kraft aus ihren Körpern herausgepresst; mal im Stimmduell, mal im Einklang. Busbys und Hoards körperliche Verausgabung transportiert alle Zwischennuancen von Euphorie bis Entsetzen. Diese Zerrissenheit resoniert mit dem Mikrokosmos der Institution Museum und mit jedem einzelnen, Bild gewordenen Mikrokosmos im Gang der Ausstellung. Was ist das für eine Welt? Es ist nicht zuletzt die hegemoniale, weiße, westliche Welt des Kolonialismus, die uns die vier schwarzen Sängerinnen und Sänger aus den USA mit ihren zwischen Blues und Gospel changierenden, Klang gewordenen, alternativen Bildbeschreibungen im ansonsten stillen Kunsttempel als eine befremdliche gegenüberstellen.
Damit trifft diese Performance, die mit Abstand zu den besten und nachhaltigsten des Eröffnungswochenendes des diesjährigen Festivals steirischer herbst gehört, thematisch...