Moderner Tanz und, in seiner Fortentwicklung, zeitgenössischer Tanz (hier abgesetzt von moderner klassischer Tanzentwicklung) bilden eine Kunstform, die zeitlich mehr oder weniger exakt das 20. Jahrhundert umfasst. Am Ende des Jahrhunderts erscheint es sinnvoll, nach der Befindlichkeit dieser Theaterform zu fragen. Denn erstens gewinnt der zeitgenössische Tanz massiv an öffentlicher Anerkennung, obwohl er sich – zweitens – in einer Phase der kreativen Stagnation befindet. Die Zeiten der siebziger und achtziger Jahre, als immer neue Choreografenpersönlichkeiten oder Tanzstile die Szene bereicherten, sind vorbei. Doch die ästhetischen Reformen dieser Zeit werden heute wie das neue Theater gefeiert. In der Retrospektive erscheint die zeitgenössische Tanzentwicklung alles andere als ein kontinuierlicher Strom. In einer grobmaschigen Betrachtung wird deutlich, wie in Zeiten diktatorischer oder faschistischer Gesellschaftsformen der zeitgenössische Tanz verschwindet. Keine wirkliche Verfolgung, kein Widerstand, keine Präsenz. Zeitgenössischer Tanz scheint an die Entwicklung demokratischer Gesellschaftsideale gebunden zu sein. Individueller Ausdruck oder Befreiung von vorgegebenen Ordnungsstrukturen, die Emanzipation von Frauen oder Minderheiten, die Konfrontation mit Tabuisiertem, das sind nur die offensichtlichsten inhaltlichen Verknüpfungen zwischen demokratischer Lebensform und zeitgenössischem Tanz.
Moderner/zeitgenössischer Tanz hat so eine unvorstellbare Vielfalt von Ausdrucksformen und Bewegungsstilen hervorgebracht, von denen nur die allerwenigsten heute verfügbar sind. Wenn wir also nach der Situation der...