Ensemble
Ensemble in Gefahr
von Herbert Jhering
Erschienen in: Theater der Zeit: Objektive Kritik? (09/1946)
Kein Wort wird im ganzen Umkreis des Theaters häufiger erwähnt als die drei Silben „Ensemble“. Jeder Intendant wünscht es, jeder Regisseur preist es, jeder Schauspieler glaubt sich ihm zugehörig, jeder Kritiker legt es seinen Besprechungen zugrunde. Man sollte also annehmen, dass es nichts Überflüssigeres gäbe, als über etwas so Selbstverständliches zu schreiben. Aber wenn wir genau hinhören, versteht jeder etwas anderes darunter. Der eine bezeichnet mit dem Wort die Gesamtheit der an einer Bühne engagierten Darsteller, der andere die Künstler, die sich zu einer einzelnen Aufführung zusammengetan haben, und ein dritter mag sogar von einem Berliner Ensemble sprechen und meint damit alle Schauspieler in Berlin, aus denen man nur von Fall zu Fall die geeigneten herauszugreifen brauche, um zu guten Vorstellungen und epochemachenden Leistungen zu kommen. Dass „Ensemble“ jedoch nicht irgendeine Bezeichnung ist wie Parkett oder Kulisse oder Drehbühne, sondern zugleich eine Forderung enthält, das überlegen sich die Wenigsten.
Als Heinrich Laube 1850 Direktor des Wiener Burgtheaters geworden war, da wurde wahrscheinlich zum erstenmal in der modernen Theatergeschichte dem Ensemble der richtungweisende Inhalt gegeben.
Laube war kein eingegrenzter „Fachmann“, der das Theater unter die Glasglocke der Zeitlosigkeit stellte. Er hatte zum liberalen „Jungen Deutschland“ gehört und kannte die treibenden und...