Starker Start mit George Tabori
von Burghart Klaußner und Thomas Irmer
Erschienen in: backstage: KLAUSSNER (09/2019)
Skandalinszenierung als Vorsprechen
Noch während des Schauspielstudiums hatte ich mit Tabori Pinkville gemacht, ein Stück gegen den Vietnamkrieg. Meine allererste Theaterarbeit überhaupt. Zur Zeit der Schauspielschule, Max-Reinhardt-Schule genannt, heute UdK. Damals war der Name Max-Reinhardt-Schule noch präsent. George Tabori, der gerade mit seinem Stück Kannibalen am Schillertheater richtig berühmt geworden war, kam zu uns in den zweiten Jahrgang, und die Schulleitung sagte, er wolle mit uns ein Stück machen, wir sollten ihm ein bisschen vortanzen. Das war alles sehr angenehm, weil er von großer amerikanischer Freundlichkeit war. Er wirkte wie ein wirklich achtzigjähriger Greis, obwohl er gerade fünfzig geworden war, denn er sprach sehr langsam und sehr tief und man hatte das Gefühl, er kommt gar nicht mit. Das war natürlich weit gefehlt. Er hat dann unseren Jahrgang komplett engagiert und noch ein, zwei Leute aus dem Jahrgang drüber. Wir begannen ein Stück namens Pinkville zu proben, der originale Codename für das Dorf My Lai, das angelehnt war an die Geschichte von Jesus Christus. Leutnant Calley, der Hauptkriegsverbrecher, der befohlen hatte, die Zivilbevölkerung auszurotten, ist da gleichzeitig eine Christus-Figur. Ein ziemliches Durcheinander von Bildern. Vor allem aufgehängt an der Figur von Jesus Christus – die Hauptfigur ist also gleichzeitig Täter...