Biographisches Theater
von Norma Köhler
Erschienen in: Lektionen 5: Theaterpädagogik (10/2012)
Assoziationen: Wissenschaft Theaterpädagogik
Biografisches Theater ist eine Bezeichnung für einen spieler- und lebensweltorientierten Theateransatz, bei dem die Darsteller persönliche Erfahrungen, Wünsche, Meinungen und Werte zum zentralen Inhalt der theatralen Gestaltung machen. Die damit einhergehende Verbindung von Biografie- und Theaterarbeit hat sich bis heute in den unterschiedlichsten theaterpädagogischen Arbeitsweisen und -feldern manifestiert. Eine Systematisierung und theoretische Fundierung der vielfältigen Spielformen biografischen Theaters steht noch am Anfang. Der folgende Text stellt mit einer historischen Skizze drei Dimensionen heraus, die in einem biografischen Theaterprojekt präferiert werden können und verschiedene Forschungsbedarfe eröffnen (I). Anschließend wird das professionelle Theater – in dessen Inszenierungen immer häufiger Laien mit ihren lebensgeschichtlichen Narrationen integriert werden – als Impulsgeber für die Theaterpädagogik reflektiert (II). Schließlich werden didaktische Vorschläge für ein zeitgemäßes Biografisches Theater zur Diskussion angeboten (III).
I. Historische Skizze
Biografisches Theater als öffentliches Sprachrohr
Der historische Ursprung biografischer Theaterprojekte lässt sich in der soziokulturellen Aufbruchbewegung der 1970er Jahre verorten. Die hier manifestierte Leitidee einer Kultur von allen für alle1 steht bis heute nicht nur für den Anspruch, insbesondere sozial benachteiligten Menschen einen Zugang zu den etablierten Künsten zu ermöglichen, sondern mit ihnen auch Darstellungsformen zu suchen, die dem Habitus dieser Bevölkerungsgruppen entsprechen und an ihren alltagsrelevanten Themen anknüpfen. Verbunden war...