Was macht das Theater?
Katja Brunner über die deutschsprachige Schweiz
von Katja Brunner
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: Schweiz (04/2016)
Auf den Spuren eines Phantoms: Deutschschweizer Theater™
Es wirft sein Netz. Es erfüllt, es überfüllt. Es zerknirscht seine Opfer in der Ecke der Bühne. Beutet Bequemlichkeiten aus, zerrt nach oben, nach unten die Selbstverständlichkeiten. Es greift an, seltener wird es angegriffen. Es gibt kein Deutschschweizer Theater™. Es biedert sich gerne an. Ist nach Berlin, nach München, nach Saarbrücken orientiert. Es winselt um Zuschauende, rülpst die Ausgegrenzten dieses Zeitraums an, es ist kein Gedicht an David Bowie, es gehört vielleicht den Deuxpièces tragenden Instanzen einer Welt der Bürgerlichkeit. Es stinkt nicht. Es gehört den Jungen, die vor den Alten knien, damit sie ihnen ganz geheim in die Schuhe spucken können. Es existiert gar nicht. Es gehört den Spielenden. Es gehört der zahlenden Meute, die Finanzkraftmacht hält manchmal die Hand schützend über das Deutschschweizer Theater™, manchmal nicht – und es macht weiter. Es riecht nach Gerechtigkeit und Fußschweiß. Es leuchtet. Es riecht nach Mottengift, Ambition; eingezogenen Gliedern, Zögern, großen Gesten, Mut. Import-Export-Schlager, die hierher kamen, aus diesen Landschaften – Asphalt, Buchsbüsche, Maronibäume. Cartier-Colliers, die an Methadonabgabestellen vorbeiflanieren. Neutralität ist ein doppelter Boden, da passt viel hinein. Wir sind ein WERDENDES, dieses WIR ist sehr unscharf. Es ist eine weit vernetzte...