Ein unzulässiger Holocaustvergleich?
Erschienen in: 70 Jahre Zukunft – Theater der Jungen Welt Leipzig (03/2017)
Assoziationen: Theater der Jungen Welt
Mucksmäuschenstill. Kein Laut. Keine Regung. Das junge Publikum in Krakau rührte sich während der Vorstellung kein bisschen. 90 Minuten lang Verharren. Auf die Bühne des Theaters Groteska, wenige Kilometer von Auschwitz entfernt, hatte das Theater der Jungen Welt die Collage »Kinder des Holocaust« gebracht. Eine ebenso erschütternde wie provozierende Inszenierung. Auf schmalen Holzstühlen saßen vier Schauspieler und zitierten aus historischen Berichten von osteuropäischen Kindern, die den Holocaust überlebt hatten. Auf der Bühne vor den Rezitatoren erzählten elf Jugendliche ihre eigenen Geschichten. Es ging um Angst und um Versagen, um Alleinsein und Verletztwerden. Ein unzulässiger Holocaustvergleich im Kinder- und Jugendtheater? Mitnichten! Denn die dramatischen Verbindungen der Lebenswelten heutiger Jugendlicher mit dem unendlichen Grauen, das Kinder damals erlebt haben, sollen aufregen, anrühren und verhindern, dass Geschichte abgehakt wird. Für diese hohe Kunst steht für mich das Theater der Jungen Welt beispielhaft wie vorbildlich. Davon zeugen auch die unzähligen anderen Inszenierungen, Diskussionsforen, Workshops oder Lesungen zu den Themen Nationalsozialismus und Rechtsextremismus am TdJW. Es sind diese bedeutenden Mosaiksteine in der aktuellen Auseinandersetzung mit Neonazis, Rassisten, Hetzern und Menschenfeinden. Dieses Demokratie-Programm ist heute wichtiger denn je. Danke, TdJW!