Kolumne
Die Frau im Fahrstuhl
von Kathrin Röggla
Erschienen in: Theater der Zeit: Peter Kurth: Die Verwandlung (09/2016)
Assoziationen: Debatte
Es ist Sommerloch. Insofern klären mich im Moment ältere Damen in thüringischen Hotelaufzügen auf, während ich auf die Etagenanzeige stiere: „Jetzt ist München dran.“ Ich blicke auf und erkenne eine Dame, die sich augenscheinlich einen Glitzerpulli angezogen hat, um sich schick zu machen für das Abendessen. Sie steht aufrecht auf ihrem Weg runter ins Restaurant und sieht mich dabei auch noch vielsagend an: „Jetzt ist München dran.“ Als wäre demnächst eine andere Stadt an der Reihe. Und ist es auch. Selbst wir in diesem Hotelaufzug wissen, der IS wird gleich verkünden: „Ihr habt das Tor zur Hölle geöffnet“, wie er das immer tut, und man wird diese Botschaft entgeistert entgegennehmen, egal, um wen es sich handelt, der um sich geschossen, gestochen hat. Der Fahrstuhl fährt allerdings noch weiter, er ist sehr langsam, und so sind wir noch im Schrecken, in dieser fragenden Situation: „Was ist passiert?“, als sich die andere thüringische Dame zu Wort meldet und sich als Ehemann von Nummer eins entpuppt: „Mein Smartphone spinnt“, als wäre es ein erlösender Satz, und das ist es auch, wir steigen endlich aus.
Kurze Zeit darauf wird mein Blick von der thüringischen Hotelterrasse ins weite Land abgelenkt von den Gesprächsfetzen rund um...