Thema: Postdramatisches Theater
Moral, Politik, Theater
Ein Postskriptum
Erschienen in: Theater der Zeit: Subversive Affirmation – Performances von Julian Hetzel (01/2020)
Assoziationen: Debatte
I
Das „linke“ Denken erlebt gegenwärtig einen Moment der Ohnmacht und der Niederlage. Ohnmächtig steht da, hilflos, wer die politische Form unserer Vergesellschaftung nicht als der Weisheit letzten Schluss annehmen will, welche die Menschen zwingt, sich systematisch zu den anderen als Konkurrent zu verhalten, nicht als Helfer. Als „egoistisches“ Privatinteresse, nicht als „Gattungswesen“, obwohl es doch so offensichtlich die Bestimmung des Menschen ist, nur als Zoon politikon existieren zu können: als Mitmensch in der Verbindung zu den anderen, in der Kooperation. Vergessen scheint die Einsicht, dass die politische Sphäre, in der man uns fortwährend mit Freiheit und Menschenrechten in den Ohren liegt, ohne eine wirkliche soziale Emanzipation der Menschen von dem materiellen Zwang zur Konkurrenz ein bloßes Trugbild bleibt. Mit wachsendem Schrecken konstatiert man, wie in Staaten, in denen doch politische Demokratie herrscht, bei Politikerinnen und Politikern ebenso wie bei „den Leuten“ das „Führerprinzip“ unseligen Angedenkens wieder Konjunktur hat: autoritäres Durchregieren unter der immer schütterer werdenden Hülle „demokratischer“ Verfahren. Oder es werden solche legitimierende Verfahren ganz beiseitegesetzt, und man beruft sich immer unverfrorener zwecks Durchsetzung inhumaner Maßnahmen auf das „Volk“, ein Volk, das in seiner Uninformiertheit umso leichter medial zu lenken ist, wenn es von der (planvoll geschürten) Angst vor...