Magazin
(Un)heilige Mütter
In Erinnerung an die Schauspielerin Christine Gloger
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Umkämpfte Vielfalt – Das Theater und die AfD (04/2019)
Ihr Weg zum Theater war ein Kraftakt, einer von vielen. Denn aufgewachsen war die 1934 in Schwerin geborene Christine Gloger in einem Kinderheim. Ende der vierziger Jahre begann sie in Rostock-Warnemünde in einer Weberei zu arbeiten. Plötzlich aber findet sie sich 1954 auf der Theaterhochschule in Leipzig wieder. Etwas, das so wohl nur in der frühen DDR möglich war, wo, wer es wirklich wollte, solche Träume leben konnte.
Wahrscheinlich verhalfen ihr die Härten ihrer Biografie, die sie doch nie haben abstumpfen können, dazu, eine ideale Brecht-Schauspielerin zu werden. Als sie in ihrem Erstengagement in Meiningen mit der „Dreigroschenoper“ am Berliner Ensemble gastierte, ließ ihre Polly sofort aufmerken. Es war diese markant-direkte Art, die ihrem Spiel Wucht gab. Helene Weigel engagierte sie sofort, und so spielte sie ab 1959 drei Jahrzehnte lang prägende Rollen, vor allem in Brecht-Stücken. Das Rollenverzeichnis ist lang, von Virginia in „Leben des Galilei“, Mascha in „Die Mutter“ von Brecht/Gorki, Jane Larry in „Im Dickicht der Städte“, Amalie in „Trommeln in der Nacht“ bis zu Dascha Tschumalowa in Heiner Müllers „Zement“. Von Helene Weigel übernahm sie die Titelrolle in „Die Gewehre der Frau Carrar“ – all das am BE der Wekwerth-Ära, wo man keine Tabus mehr brach,...