„Wenn dieser Engel nun – krank geworden!“, versucht Nathan die sehnsüchtigen Visionen seiner Pflegetochter Recha, die nach der Errettung aus dem Feuer vom Tempelherrn schwärmt, zu mildern. Es ist ungewollt der Satz des Tages im Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen. Das Haus spielte Mitte März gerade noch, während die Dresdner Staatstheater bereits vor der virulenten Geißel Gottes kapitulierten. Schade, dass auch diese beachtliche und anhaltend gut besuchte Inszenierung nun ausgesetzt werden muss.
Lessings „Nathan der Weise“ kommt seit 1783 zyklisch und vergleichbar epidemisch auf deutschsprachige Bühnen, wenn Toleranz und Akzeptanz von Verschiedenartigkeit in besonderer Weise bedroht sind. Das dramatische Standardwerk der Aufklärung hat folglich angesichts der neurechten Ideologisierung derzeit Konjunktur. Wir leben wieder in einer Zeit der Kreuzzüge, und der Handlungsschauplatz Jerusalem kommt im Brennpunkt des Kampfes dreier Religionen um den „echten Ring“ seit zwei Jahrtausenden nicht zur Ruhe. Ein Ausgleich ist möglich, lautet die Botschaft Lessings in dieser vertrackten Geschichte um eine Familienzusammenführung nach Leid und Gemetzel.
Im Vergleich der ungezählten Inszenierungen und Verfilmungen des zeitlosen Stoffes kann die Bautzener Version mehr als nur mithalten. Schon die personelle Konstellation, unter der sie zustande kam, weckte Neugier. Intendant Lutz Hillmann kehrt höchstselbst als Nathan auf die Bühne zurück, auf der er bei...