Magazin
Böse Frauen
Dagny Juel: Flügel in Flammen. Gesammelte Werke. Weidle Verlag, Bonn 2019, 176 S., 20 EUR.
Erschienen in: Theater der Zeit: Subversive Affirmation – Performances von Julian Hetzel (01/2020)
Dagny Juel, geboren 1867 in der südostnorwegischen Stadt Kongsvinger, zählt zu den erfolgreichsten Schriftstellerinnen Norwegens. Aufgewachsen in einem Ärzte-Elternhaus, wurde ihr künstlerisches Talent früh entdeckt. Sie erhielt Klavierunterricht, gab bereits als Jugendliche in Oslo viel beachtete Konzerte und ging 1893 für ein Klavierstudium nach Berlin. Dort fing sie an zu schreiben, inspiriert von der brodelnden Kraft der Berliner Boheme. Während die Werke ihrer männlichen Künstlerfreunde in Vergessenheit gerieten, werden ihre Kurzgeschichten, Gedichte und Dramen bis heute rezipiert. Für ihre Literatur, in der sie, gänzlich untypisch für ihre Zeit, die dunkle Psyche der Frau erkundete, erhielt sie zahlreiche Preise, Straßen und Kita-Gruppen in Berlin sind nach ihr benannt.
So hätte es sein können. Doch so war es nicht. Die Biografie, die die Performerin Anne Tismer an diesem Abend im Oktober 2019 im Literaturhaus Berlin vorträgt, ist reine Fiktion. Oder besser gesagt: reine Rebellion. Ein kühn vorgetragener Aufstand gegen eine missachtete Existenz. Gegen ein Leben, das mit nur 31 Jahren im georgischen Tbilissi zu Ende ging durch eine aus Eifersucht abgefeuerte Kugel aus der Pistole eines dem Teufelskult verfallenen Mannes.
Wer also war Dagny Juel wirklich? In der Überlieferung vor allem Muse, poetische Erscheinung, Femme fatale. Die Liste der Begriffe, die die...