Nachwuchssorgen
von Fritz Erpenbeck
Erschienen in: Theater der Zeit: Nachwuchssorgen (02/1947)
Assoziationen: Deutsches Theater (Berlin)

Man soll sich die Sache nicht allzu leicht machen. Allzu leicht ist es nämlich, die Schuld an allem, was uns nicht gefällt, auf die verflossene Nazimisswirtschaft zu schieben. Sehr oft ist das nur die bequeme Ausrede, um eigene Versäumnisse und Fehler nicht zugeben zu müssen, die Hände mit der Begründung, es sei doch alles hoffnungslos verfahren, in den Schoss zu legen und abzuwarten, ob nicht von irgendwoher, möglichst „von oben“, helfend eingegriffen wird. Bald sind es „die zuständigen Behörden“, bald die Alliierten, und manchmal auch ist es - schon wieder - eine „starke Persönlichkeit“, auf „deren Eingreifen“ gewartet wird. Vergeblich!
Wir sind glücklicherweise über den Verdacht erhaben, den braunen Botokuden auch nur ein Gran ihrer unermesslichen Schuld an der Zerstörung unserer Kultur schenken zu wollen. Deshalb dürfen wir unbefangen erklären: wir können auch nicht einfach dort anknüpfen, wo wir 1933 stehengeblieben waren. Die vielfältigen Ursachen dessen, was heute offenkundig immer noch morsch und schwach ist in unserm kulturellen Leben, reichen weiter zurück. Sie reichen so weit zurück, wie die Wurzeln des deutschen Faschismus zurückreichen. So verstanden ist allerdings der Nazismus „an allem schuld“; er hat das, was an Verderbnis im Keim oder schon im Ansatz vorhanden war, mit allen Mitteln...