Die Kommunikation der Klassen und Schichten
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
Die öffentliche Meinung hat, wenn man sie als ein solches Medium versteht, eine deutliche Wesensverwandtschaft mit dem liberalen Sprechen. Sie ist der Ausdruck für eine Kommunikationsform, die die Entscheidung so lange wie möglich aufhält, und reproduziert das Vertrauen in die Wahrheit des „herrschaftsfreien Diskurses“ oder die „Gewalt des besseren Arguments“. Damit eröffnet sie einen gesellschaftlichen Raum, in dem der Austausch möglichst vieler Meinungen erlaubt wird und möglichst viele Informationen in die Entscheidung einfließen können. Aus der robusten Öffnung der liberalen öffentlichen Meinung folgt ihre besondere Eigenart des Entscheidungsaufschubs. Je länger der Meinungsaustausch dauert, desto unbestimmter wird die Entscheidung. In den deliberativen Demokratien scheint es bisweilen zu einer Deckungsgleichheit von Politik und liberaler Kommunikationsform gekommen zu sein, die dann zu dem Eindruck führt, dass nichts entschieden wird und die Politiker orientierungslos sind. Dieser Eindruck ist der Nährboden für den aggressiven Reflex des Populismus.
Um diese Reaktion konkreter begreifen zu können, muss zur demokratischen Paradoxie von Mehrheitsmacht und Minderheitenrechten eine zweite Unterscheidung hinzugedacht werden. Die demokratische Paradoxie spiegelt sich in der Struktur der öffentlichen Meinung, in der die liberalen Kommunikationsformen mit den populistischen Anrufungen konkurrieren. Quer zu diesem Konflikt steht die soziale Unterscheidung ihrer Mitglieder in Klassen. Betrachtet man die Struktur postmoderner...