Bericht
Keine Rechnung ohne Restwert
Zwischen prophetischen Spalten, flirrenden Rave-Kellern und isländischen Polarfüchsen entfalten sich in der Langen Nacht der Autor:innen am Deutschen Theater Begegnungen von Text und Bühne.
Assoziationen: Berlin Dossier: Neue Dramatik Dossier: Festivals Josephine Witt Miku Sophie Kühmel Ensemble RambaZamba Guido Wertheimer Deutsches Theater (Berlin)
Erschienen am 23.6.2025
„Die Zuschauer pilgern an diesen Ort, wo Träume sichtbar werden.“ – Guido Wertheimer spricht den Satz mit ruhiger Stimme in ein Mikrophon. Immer wieder. Bis das Publikum vollständig in der Kammer des Deutschen Theaters Platz genommen hat. Wertheimer sitzt an einem abgesengten Pult vor der Rampe. Nachdem er den Satz einige Male gesagt hat, wird seine Stimme langsam von der eines Engels (Komi Mizrajim Togbonou) überlagert. Beinahe wie die Aushändigung eines Heiligtums: Die Worte wandern vom Autor zum Schauspieler. Während Komi Mizrajim Togbonou das Wort ergreift, haften an seinem Rücken zusammengestauchte Engelsflügel – weiße Aluminiumrohre und herabhängende Stahlketten –, die bei jedem Schritt leise klirren. „Also bereitet euren Köper gut darauf vor, eure Organe, eure Muskeln, euer Herz, und geht hinaus. Ich selbst werde vermutlich unter einem Scheinwerfer zu Staub zerfallen.“, verkündet die dystopische Engelsgestalt. Zwischen ihr und Wertheimers Pult tut sich eine Art prophetischer Spalt auf. Ein Spalt, der immer größer wird, und in dem sich die Worte langsam verselbständigen. Es sind Worte, die Guido Wertheimer im Laufe der Spielzeit 2024/2025 als Atelierautor am Deutschen Theater geschrieben hat. Sie gehören zu seinem Stück „Nach dem Hass“, das als eines von vier verschiedenen Atelierarbeiten und zum Abschluss der ATT in...
Erschienen am 23.6.2025
