Nach der Sanierung ist vor der Sanierung
Ein Zwischenbericht zu den derzeitigen Baumaßnahmen
von René Prautsch und Thomas Stolze
Erschienen in: 150 Jahre Theater Altenburg (04/2021)
Assoziationen: Thüringen Dossier: Neubau & Sanierung
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der Wunsch der Altenburger Bürgerschaft an Herzog Ernst I. von Sachsen-Altenburg herangetragen worden, ein repräsentatives Theater in der Residenzstadt zu errichten. Unter anderem wurde formuliert, dass es technisch modern ausgerüstet sein solle. Hofbaumeister Otto Brückwald ließ es im Auftrag des Herzogs nach Plänen des Altenburger Baurats Julius Engert in den Jahren 1869 bis 1871 im Stil der Neorenaissance errichten. Als Vorbild diente dabei das von Gottfried Semper gebaute Dresdner Hoftheater, welches allerdings 1868 durch einen Brand völlig zerstört worden war.
Technische Innovation und vorbeugender Brandschutz waren dem Altenburger Theater also in die Wiege gelegt worden. Stetige Investitionen in die Verbesserungen der funktionellen Infrastruktur prägten in den folgenden Jahrzehnten die Baugeschichte des Theaters. Erwähnt seien hier der Magazinanbau 1882, der Anbau des Verwaltungsgebäudes 1895, der Anbau eines Foyervorbaus im klassizistischen Stil 1905, die Erhöhung des Bühnenturms 1938, der Einbau einer Drehbühne 1947, der Anbau des Personaleingangs 1969 und der Anbau des Heizhauses 1984. In den Folgejahren fanden weitere bauliche Sanierungsarbeiten und technische Erneuerungen in Haus- und Veranstaltungstechnik statt. Höhepunkt war schließlich die Sanierung in drei Bauabschnitten von 1993 bis 1995, die sich aus Kostengründen auf die baulich-räumliche Infrastruktur und den Zuschauerbereich konzentrierte. Die Bühnenmaschinerie verfügte jedoch weiterhin über veraltete Antriebe aus der ersten Hälfte der 1970er Jahre. Zudem war die rechnergestützte Steuerung in den letzten acht Jahren vor der Sanierung nicht mehr reparabel, sodass permanent die Betriebsfähigkeit des Theaters gefährdet war. Die Zuschauerränge des Theaters sowie die Spielstätte Heizhaus waren auch 2019 noch nicht barrierefrei erschlossen.
Umso erfreulicher war es, dass der Kreistag des Landkreises Altenburger Land in seiner Sitzung im März 2018 den Weg für zwingend notwendige Baumaßnahmen frei gemacht hat. Er folgte in seiner Entscheidung unseren Empfehlungen. Beschlossen wurde die Erneuerung der bühnentechnischen Anlagen, die logistische Erschließung des Theaters, der Einbau eines Personenaufzugs im Zuschauerbereich und weitere Sanierungsvorhaben, zum Beispiel in der Spielstätte Heizhaus sowie beim Verwaltungsgebäude. Die Sanierungsarbeiten haben im August 2019 begonnen.
Für die Bühnentechnik bedeutet die aktuelle Sanierung die komplette Erneuerung und Ergänzung der Ober- und Untermaschinerie. Dabei wird die für die Betriebsabläufe unseres fusionierten Theaters enorm wichtige Kompatibilität mit der Geraer Bühne hergestellt. So wird beispielsweise die Drehbühne (bisher elf Meter) auf zwölf Meter Durchmesser erweitert, und es wird möglich sein, zusätzlich eine Ein-Personen-Versenkung für Auftritte aus der Unterbühne zu positionieren. Der Orchestergraben wird vergrößert und bietet Platz für acht weitere Musikerinnen und Musiker. Zwei neue Zugänge zum Orchestergraben erleichtern die Nutzung und erhöhen die Sicherheit. Anstelle der bislang üblichen aufwendigen manuellen Abdeckung des Grabens übernimmt nun ein Orchesterhubpodium das Öffnen und Schließen und ermöglicht auch variierende Orchesterebenen. Die Anzahl der Dekorationszüge als wesentliches Element der Obermaschinerie erhöht sich von 27 auf insgesamt 32. Der Anteil der integrierten Maschinenzüge erhöht sich von ehemals drei auf 19. Erstmals stehen zwei Maschinenzüge im Proszeniumsbereich über der Vorbühne zur Verfügung sowie fünf elektromotorische Punktzüge, die frei positionierbar jeden Ort der Hauptbühne erreichen.
Der Bühnen- und Werkstattbereich wird mittels zweier Fahrzeughebebühnen logistisch erschlossen. Damit gehören tägliche und sehr lange Transportwege mit unverhältnismäßigen körperlichen Belastungen für das veranstaltungstechnische Personal der Vergangenheit an. Die Zeitersparnis dabei ist erheblich, da die Dekorationscontainer unmittelbar neben der Bühne be- und entladen werden. Der Fußboden des Magazins wurde um 50 Zentimeter auf Bühnenniveau abgesenkt, um mit teils hohen Lasten barrierefrei zwischen Magazin und Bühne agieren zu können. Im Magazin ist erstmals ein 14 Meter langes Paternosterregal für die Lagerung von Bühnenprospekten und Bodenbelägen verfügbar.
Im Bereich Heizhaus wird ein Neubau den Besucherservice aufnehmen sowie als Personaleingang fungieren. Der moderne Baukörper umfasst auch das erweiterte Besucherfoyer mit neuen ebenerdigen WC-Anlagen und barrierefreiem Zugang zur Spielstätte. Auch im Theaterfoyer ermöglicht erstmals ein Personenaufzug unserem Publikum, den Theatersaal vom Parkett bis zum zweiten Rang barrierefrei zu erreichen.
Bei allen Sanierungsvorhaben sind Brandschutzmaßnahmen wichtig. So wurden Betondecken eingebracht und spezielle Türen verbaut, um die Brandsicherheit weiter zu erhöhen. Eine Besonderheit ist die neue Hochdruck-Nebel-Löschanlage. Menschen können im Brandfall besser geschützt werden, weil der Wassernebel Hitze absorbiert und Rauchgase bindet. Schäden an Gebäuden und Ausrüstung wären im Einsatzfall minimal. Bei Fehlauslösungen von konventionellen Löschanlagen, wie sie leider immer wieder vorkommen, seien sie nun technisch bedingt oder Bedienungsfehlern geschuldet, entstehen enorme Schäden an Bausubstanz und technischer Ausrüstung. Von der anschließenden Unbespielbarkeit solcher Veranstaltungshäuser ganz zu schweigen. Dieses Risiko ist zukünftig gebannt.
Darüber hinaus verfügen wir nunmehr über neueste Ton- und Lichtstellpulte mit erweiterten Möglichkeiten und haben einen hochwertigen Videoprojektor im Zuschauerparkett positioniert, der bei bester Bildqualität nahezu geräuschlos arbeitet. Das neue Konzertzimmer für die Philharmonischen Konzerte bietet verbesserte raumakustische Bedingungen, ist in drei Varianten konfektioniert, mit LED-Lichttechnik bestückt und lässt sich wesentlich effizienter auf- und abbauen und im Magazin lagern als sein inzwischen verschlissener Vorgänger aus dem Jahr 1996. Schließlich wird auch die Freifläche an der Nordseite des Theaters den neuen Wegebeziehungen angepasst, womit PKW-Stellflächen, Rangierwege der Containerfahrzeuge und die Zufahrt für unser Publikum mit körperlicher Beeinträchtigung zum Personenaufzug verbindlich zugeordnet werden.
Somit sehen wir uns gut gerüstet, perspektivisch die erforderlichen Bedingungen für die hoch ambitionierte künstlerische Arbeit aller fünf Sparten zu gewährleisten und unserem Publikum attraktive Rezeptionsbedingungen zu bieten.
Dennoch gibt es derzeit weiteren Sanierungsbedarf am Altenburger Theater. Genannt werden muss u. a. das Seckendorff’sche Palais, das in der aktuellen Baumaßnahme nicht berücksichtigt werden konnte. Das 1724 von Johann Georg Hellbrunn errichtete Gebäude ist seit 1945 dem Theater zugeordnet und beherbergt heute eine Probebühne, einen Ballettsaal, die Theaterkantine, verschiedene Büros, Werkstätten und Lagerräume. Da es glücklicherweise heute nicht mehr nötig ist, dass die Altenburger Bürgerschaft diesen Bedarf ihrem „Fürsten“ meldet, machen wir Theaterleute das in Wahrnehmung unserer Verantwortung gegenüber den heute politisch Verantwortlichen getreu dem Motto: „Nach der Sanierung ist vor der Sanierung ...“ Wir sind zuversichtlich, dass angesichts der im 150. Jahr seines Bestehens erfolgten umfänglichen Werterhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen die Verantwortlichen auch die noch ausstehenden Vorhaben besonnen und akribisch auf den Weg bringen werden und danken an dieser Stelle allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landratsamts Altenburger Land, den Planern und Baufirmen und dem Architekten.