Prolog
Bilanzartikel zum Ende einer Intendanz lesen sich manchmal wie Nachrufe. Will eigentlich keiner, lässt sich aber nicht immer vermeiden. In diesem Fall zumindest nicht. Dabei schien der „Verstorbene“ bei bester Gesundheit, er hatte sich, obwohl zwischenzeitlich schwer angeschlagen, blendend erholt. Und dann das: plötzlicher Theatertod durch Corona. Mitte März 2020. Gerade wurden die Theater dichtgemacht, man darf aber noch Menschen treffen. Ein Interview mit Matthias Lilienthal in seinem Intendantenbüro. Bis zum 19. April, heißt es damals, soll die Schließung dauern. Lilienthal glaubt schon im März nicht dran: Best-Case-Szenario für die Rückkehr zum Spielbetrieb sei Ende Mai. Und dann ergänzt der Mann, der nicht unbedingt als Leisetreter bekannt ist, fast kleinlaut: „Ich würde mir wünschen, dass wir wenigstens noch einen Monat vor Livepublikum spielen dürfen.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Akt I
Wären die fünf Münchner Lilienthal-Jahre ein Fünfakter, welcher Gattung wären sie zuzurechnen? Der Tragödie? Nein, dafür haben sie zu viel Spaß gemacht. Der Komödie? Auch nicht, es fehlt das Happy End. Der Groteske? Manche Diskussionen um das Haus waren bizarr, aber der Leistung dieses Theaters würde diese Klassifizierung nicht gerecht. So könnte man noch endlos Genres ins Feld führen, passend wären alle ein bisschen – aber so richtig keines....