Thema: Festivals
Second Life
Nach dem abgewendeten Aus erfindet sich das Impulse Theater Festival neu
Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)
Assoziationen: Nordrhein-Westfalen Akteure
Nur ein einziger Zuschauer zögert: Soll er wirklich sein Firmenhandy über einen Barcode in das W-Lan-Netz einer Theateraufführung namens „Anonymous P“ einloggen? Aber zu attraktiv sind die Namen, die mit der neuen virtuellen Identität vergeben werden: Meatloaf oder Marion, Hermes oder Professor Higgins, oder einfach nur The Journalist oder The Gravedigger. Chris Kondek und Christiane Kühl bedienen sich in ihrer Performance-Installation eines vertrauten Phänomens: Jeder weiß um die Durchlässigkeit von öffentlichen Netzen – und nutzt sie trotzdem. Wider besseres Wissen loggen sich die Zuschauer ein und werden am Ende des Abends mit der Veröffentlichung ihrer privaten E-Mails belohnt. Denn „Anonymous P“ ist eine Hackerzentrale: Auf einem erhöhten Podest sitzen sechs gewichtige Gestalten hinter aufgeklappten Laptops. Die Bühne 1 des Mülheimer Ringlokschuppens, der in diesem Jahr das Herz des Impulse Theater Festivals bildet, ist eine begehbare Installation, in der verschiedene Techniken von Spionage und Überwachung exerziert werden. Die große Fiktion der Gegenwart, die Privatsphäre, wird hier eindrucksvoll als bedroht erfahrbar gemacht.
Das Impulse Theater Festival, das zum zweiten Mal unter der künstlerischen Leitung von Florian Malzacher steht, erfindet sich nach über zwanzig Jahren noch einmal ganz neu. Nachdem das Festival kurz vor dem finanziellen Aus stand, unter anderem wegen des Rückzugs...