Speculative Thinking: Das vernetzende Theater als lernfähiges Theater
Kultureinrichtungen in Zeiten der Krise
Erschienen in: Learning for the Future – Zukunftskonferenz für die Darstellenden Künste (04/2024)
Am 24. Februar 2022 beginnt die Russische Föderation einen Angriffskrieg auf die Ukraine. Am 14. März desselben Jahres übermitteln deutsche, schweizerische, österreichische und liechtensteinische Theater in Kooperation mit dem Left Bank Theatre (Kyiv) eine Absichtserklärung an das ukrainische Kulturministerium mit der Bitte, ukrainische Künstler:innen ins europäische Ausland ausreisen zu lassen. Männliche ukrainische Bürger im Alter von 18 bis 60 Jahren sind zu diesem Zeitpunkt mit einem Ausreiseverbot belegt.1 Die unterzeichnenden Theater wollen den Künstler:innen des angegriffenen Staats darüber hinaus eine Plattform zur Verfügung stellen und ihre Kunst zugänglich machen. Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks sowie Artikulationen ukrainischer Perspektiven auf den Krieg seien aufgrund der Lage vor Ort erheblich eingeschränkt, so die Autor:innen Birgit Lengers und Stas Zhyrkov.2
In Europa herrscht ein Angriffskrieg, die Coronapandemie scheint noch nicht ausgestanden und die Klimakrise verschärft sich zunehmend. Was macht Theater in einer Gegenwart voller Krisen, einer Gegenwart, in der der deutsche Bundeskanzler eine „Zeitenwende“ ausruft?3 In meiner Masterarbeit habe ich gefragt, wie deutsche Stadt- und Staatstheater infolge der Absichtserklärung (politisch) agieren. Dafür habe ich drei Häuser genauer untersucht und ihre Handlungen im Kontext des Ukrainekriegs anhand von Expert:inneninterviews rekonstruiert.4
Theater lernt als Netzwerk
Die Absichtserklärung zahlreicher Theater gegenüber dem ukrainischen...