Zum Geleit
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Die darstellenden Künste verstehen sich, wenn man den jahrzehntelangen O-Tönen insbesondere aus den deutschen Stadt- und Staatstheatern Glauben schenken darf, als Hort und Ort der Selbstvergewisserung und Selbstverständigung in und mit der Gesellschaft. Aber wer ist die Gesellschaft? Auf welchen Strukturen fußt die Theaterlandschaft, und wohin bewegt sie sich in Anbetracht von Globalisierung und Digitalisierung, von Migration und Integration? Wie reagieren die Erscheinungsformen der darstellenden Künste in Inhalt und Ästhetik auf den demographischen Wandel? Wegen der umfänglichen öffentlichen Förderung des Theaters in Deutschland darf dabei die Rolle der Kulturpolitik als normative Kraft des Faktischen und im besten Falle als Konzeption für die Weiterentwicklung nicht unberücksichtigt bleiben.
Julius Heinicke beschäftigt sich in seiner Habilitationsschrift vor allem mit der kulturellen Vielfalt als Schlüsselbegriff für die Perspektiven einer postkolonialen Theaterarbeit. „Obwohl seit einiger Zeit eine inter- und vermehrt auch transkulturelle Öffnung des Theaters propagiert wird, scheinen in deutschsprachigen Theaterprojekten (neo)koloniale Muster stets noch wirkungsmächtig zu sein“, stellt er bereits zu Anfang seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung fest und will sich diesem Dilemma stellen, um „mögliche Potenziale des Theaters für die Verhandlung kultureller Vielfalt auszuloten“.
Programmatisch verbindet er den globalen Norden mit dem globalen Süden und untersucht deutsche und (süd-)afrikanische Theaterpraxis. Inszenierungen und Festivals stehen im...