Die 1960er und 1970er Jahre
Benno Bessons poetische Darstellungsweise
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Assoziationen: Benno Besson
Zu Beginn der 1960er Jahre setzten Benno Bessons Inszenierungen am Deutschen Theater Berlin neue Akzente für jenes Theater, das sich, im weitesten Sinne, als politisch-gesellschaftlich kritische Praxis verstand. 1962 stellte seine Version von Aristophanes’ FRIEDEN, den Peter Hacks umgearbeitet hatte,67 das Sinnliche als entscheidende Dimension menschlicher Existenz und des aktiven Einsatzes für ein humanes Leben aus. Sie betonte, dass elementare sinnliche Bedürfnisse des Individuums Springquell und Kern übergreifender politischer Aktionen und Veränderungen sind (sein sollten). In Bessons FRIEDEN gewann ein dünner, scheinbar greiser Bauer Trygaois mit auffälligem Spitzbauch – unübersehbares Zeichen seiner Lust an gutem Essen und Trinken – in moralischer Unbedenklichkeit, listenreich für sich und für seinen sehr persönlichen Genuss, den politisch-systemischen Zustand Frieden. Der Akzent lag auf dem persönlichen Interesse, dem hohen Stellenwert von Lustgewinn, auf dem Genießen der kleinen Dinge, den elementaren Genüssen Lieben und Essen.68
Anfang 1965 führte Besson Jewgeni Schwarz’ Märchen-Stück DER DRACHE auf. Es handelt von Lanzelot, der im Anklang an die legendäre Heldengestalt des frühen Mittelalters als fahrender Ritter in ein Fantasiereich kommt, das von einem Drachen diktatorisch beherrscht wird. In ironischer Referenz auf die Heldenlegenden der Western erschien der legendäre Einzelkämpfer für Menschenwürde bei...