Rettung in einer handvoll Erde
von Matthias Däumer
Erschienen in: Recherchen 127: Darstellende Künste im öffentlichen Raum – Transformationen von Unorten und ästhetische Interventionen (12/2017)
Assoziationen: The Working Partys
I
Die Performance gründet auf Interviews, die Benno Plassmann und Nathalie Sensevy mit sieben Personen mit Migrationshintergrund aufgenommen haben. Das Audiomaterial wurde geschnitten und thematisch geordnet und wird entlang eines Pfades an fünf Stationen unter aufgespannten und zum Teil im Inneren beklebten Schirmen abgespielt. Auf diesem Weg wandelt das Publikum durch die Rostocker Stadtteile Dierkow und Toitenwinkel auf das neu errichtete Mahnmal für den am 25. Februar 2004 durch den „NSU“ ermordeten Mehmet Turgut zu. Die Zuschauer stoßen dabei auf mehrere Performances, die zum Teil das Hörerlebnis untermalen, zum Teil unabhängig von den „Rettungsschirmen“ die Höfe der Toitenwinkeler Platte durchmessen.
Die Montage des Tonmaterials formt aus den Interviews eine Blaupause der Flucht, die sich ebenfalls in fünf Abschnitte einteilen lässt. Dabei arbeitet sie auf die Darstellung eines paradigmatischen Ablaufs hin, der weder zwischen den Herkunftsländern noch zwischen den Zeiten der Flucht unterscheidet: Die Stimmen berichten von ihrer Herkunft aus Mauretanien, Ghana, Türkei, Afghanistan, Iran, aber auch aus Russland und Böhmen. Sie reflektieren Momente der Flucht, die wenige Jahre oder bis zu einem halben Jahrhundert zurückliegen. Die Aufhebung von Raum und Zeit lässt die Flucht zu einer universellen Erfahrung werden, die der Zuhörer anhand der Abschnitte/Schirme miterlebt: Kindheit/alte Heimat, Flucht, Ankunft,...