Seit sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich am 5. Februar mit den Stimmen der CDU und AfD zum Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen hat wählen lassen, ist viel passiert. Von „Dammbruch“, „Tabubruch“ und „unverzeihlichem Fehler“ war die Rede. Nach nur wenigen Tagen trat er von seinem Amt zurück. 1989 als Unternehmensberater in den Osten gekommen, hatte Kemmerich ein DDR-Kombinat in eine Friseurkette umgewandelt, deren Anteile inzwischen profitabel an der Börse gehandelt werden. Zugleich gelten die Arbeitsbedingungen selbst für dieses Gewerbe als ausgesprochen schlecht (ein Schelm, wer zwischen den Profiten und der Schinderei einen Zusammenhang vermutet). Bundesweite Bekanntheit erlangte er als einer der entschiedensten Gegner des mickrigen Mindestlohns, den er als fatal für die Wirtschaft (also seine Gewinne) verteufelte. Eine hübsche Geschichte über Ost und West, Privatisierung und Marktwirtschaft. Und über politische Ökonomie.
Gerade einmal 25 Prozent der FDP-Wähler in Thüringen würden einer Umfrage von ARD-Deutschlandtrend zufolge die Zusammenarbeit mit der AfD prinzipiell ausschließen. Bei der wirtschafts- und sozialpolitischen Nähe ist das kein Wunder. Dass es der AfD unter Björn Höcke in Thüringen gelungen ist, sich an die Spitze einer Bewegung gegen eine vermeintliche rot-rot-grüne Wiederbelebung der DDR zu setzen, und das unter dem Ideologem der „bürgerlichen Mitte“, muss zweifelsohne als großer strategischer...