Das Besondere als zentrale Kategorie der Ästhetik
von Georg Lukács
Erschienen in: Georg Lukács – Texte zum Theater (06/2021)
Goethes Entdeckung bei der Herausarbeitung der Kategorie des Besonderen in der Ästhetik ist scheinbar nur geringfügig: das Stehenbleiben, das Sichfixieren, das Gestaltwerden der Bewegung, in welcher der Künstler die objektive Wirklichkeit widerspiegelt, beim Besonderen, und nicht – wie in der wissenschaftlichen Erkenntnis je nach ihren konkreten Zielen – beim Allgemeinen oder beim Einzelnen. Die mit der Alltagspraxis verbundene Erkenntnis fixiert sich wo immer, je nach ihrer konkreten praktischen Aufgabe. Wissenschaftliche Erkenntnis beziehungsweise künstlerisches Schaffen (sowie ästhetische Rezeption der Wirklichkeit, z. B. in bestimmten Erlebnissen des Naturschönen) differenzieren sich im Laufe der langen geschichtlichen Entwicklung der Menschheit bei den Extremen oder in der Mitte. Ohne einen solchen Prozess hätte sich die eigentliche Spezialisierung dieser Gebiete, ihre Überlegenheit der unmittelbaren Praxis des Alltagslebens gegenüber, aus der sie beide allmählich herausgewachsen sind, nie bewerkstelligt.
Das Herausarbeiten der Eigenart dieser Tätigkeitsfelder der Menschen müsste nun notwendig irreführende Ergebnisse zustande bringen, wenn man nicht daran festhalten würde, dass in allen drei Fällen dieselbe objektive Wirklichkeit widergespiegelt wird, und zwar dieselbe nicht nur inhaltlich, sondern auch in ihren Formen, in ihren Kategorien. Natürlich führt die lange und erfolgreich durchgesetzte Spezialisierung dazu, dass besonders differenzierte – natürliche und künstlich geschaffene – Aufnahmeorgane sich herausbilden, die Dinge, Formen,...