4. Krise und Kritik
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)
Das Verschwinden der Künstlertheater ist ein alarmierendes Signal für die Qualität und Entwicklungsfähigkeit des Theaters als Kunst. Das Verhältnis eines Regisseurs zu seinem Ensemble wird im Betrieb des Stadttheaters in immer nervösere Arbeitsbedingungen gepresst. Der Produktionsdruck macht die schnell gefundene Lösung notwendig und lässt die Suche nur noch als Mittel zum Finden zu. Eine Probe ist immer öfter die Anwendung einer Regiemethode, sie eröffnet selten den Raum eines gemeinsamen Ausprobierens oder Erlernens neuer Spielweisen. Denn hierzu bedarf es nicht nur eines Vertrauens in der Gruppe, sondern auch einer Vergewisserung darüber, welche Ziele mit welchen Mitteln erreicht werden sollen.
Um zu gemeinsamen Zielen zu kommen, benötigen die dezentrierten Subjekte vor allem viel Zeit, in der sie lernen müssen, das die Gemeinsamkeit bei jedem Einzelnen beginnt. Das Gespräch zwischen postmodern geschulten Zeitgenossen hingegen führt in der alltäglichen Probensituation weder zu einer Gemeinsamkeit des Gefühls noch entwickelt sich ein gemeinsamer Gedanke. Ein solches Kommunikationsverhalten wiederholt vielmehr die eingeübten Muster narzisstischen und marktkonformen Sprechens. Der Sprechakt dient zuerst der eigenen Darstellung. Die wechselseitige Aufmerksamkeit, die es benötigt, um das Gemeinsame entwickeln zu können, wird durch den Austausch von witzigen, eitlen, intelligenten oder pointierten Meinungen absorbiert. Der größte Teil solcher Aussagen lässt allein den Meinenden...