Theater der Zeit

Robert Wilsons Theater der Verklärung

von Erika Fischer-Lichte

Erschienen in: Recherchen 51: Realistisches Musiktheater – Walter Felsenstein: Geschichte, Erben, Gegenpositionen (06/2008)

Assoziationen: Wissenschaft Musiktheater Nordamerika Robert Wilson

1. Wilsons Theater – kein realistisches Musiktheater

For years, going to the theatre was about questions and answers. Why has King Hamlet’s ghost returned, and what will the Prince do about it? How will Madame Ranevskaya save her cherry orchard? Who is afraid of Virginia Woolf?

In the new theatre, however, questions are neither asked nor answered. Going to the theatre becomes an abstract experience, like going to a symphony, or a Balanchine ballet, or a show of modern art. The audience is offered not thought, but sensation.1

Die Ästhetik dieses neuen Theaters entwickelte u. a. Robert Wilson seit den ausgehenden sechziger Jahren in Aufführungen, die das Programm der historischen Avantgardebewegungen – eines Appia und Craig, des Bauhaus-Theaters und des französischen Surrealismus – wieder aufzugreifen und zu vollenden schienen:2 „Retheatralisierung“ des Theaters als radikale Abwendung vom literarischen Theater, welches die westliche Kultur seit Beginn der Neuzeit dominierte. Deafman Glance (1971), Einstein on the Beach (1976) und the CIVIL warS (1983/84) markierten als vollendete Ausprägungen dieser Ästhetik zugleich Höhepunkte in ihrer Entwicklung.3

Es mag kaum überraschen, dass Wilson sich Mitte der achtziger Jahre der Opernregie zuwandte – immerhin trugen viele seiner Inszenierungen die Gattungsbezeichnung „Opera“. 1984 inszenierte er...

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