Kolumne
Totensonntag
von Kathrin Röggla
Erschienen in: Theater der Zeit: Edgar Selge: Der helle Wahnsinn (01/2019)
Assoziationen: Debatte
Kann man eine Sache totreden? Offensichtlich. Man kann so lange auf sie einprügeln, bis niemand mehr an sie glaubt. Man kann zum Beispiel die SPD totreden, wie es gerade geschieht, (nur Trump kann man anscheinend nicht totreden, das ist das eigentlich Unheimliche an ihm), der Spiegel hat eine gewisse Erfahrung darin, obwohl er natürlich behaupten würde, die SPD könne man gar nicht mehr totreden, die sei schon tot. Vielleicht ist es auch mehr dieses stete Für-tot-Erklären. Man kann Gesetze totreden, das heißt Gesetzesanträge. Oder man kann die Ängste der Bürger beim Bau von Industrieobjekten totreden. Aber kann man auf einer Theaterbühne eine Sache totreden?
Bisher war immer eher vom Totschweigen die Rede, obwohl das heute zugegebenermaßen unzeitgemäß wirkt, weil alle annehmen, man kann jeglichen Sachverhalt zu jeder Zeit äußern, das heißt, alle jenseits der Rechtspopulisten, die absurderweise am häufigsten und am lautesten die öffentlichen Bühnen für sich in Anspruch nehmen. Außerdem stellt sich die Frage, wie man etwas auf einer Theaterbühne totschweigen kann? Indem man einfach offensiv über ganz andere Dinge spricht und das Thema vermeidet? Auf der Theaterbühne fällt ja schon das Totreden schwer. Das wäre der Wortschwall, der alles unter sich begräbt, und den erlebt man tatsächlich hin...