Herr Peltzer, wir können uns Zukunft nur noch als Bedrohungsszenario vorstellen. Deswegen verzichten wir lieber ganz darauf, scheint es. Warum erscheint Zukunft nicht mehr als offener Möglichkeitsraum?
Dass wir keinen Begriff mehr von Zukunft haben, hat damit zu tun, dass wir über die Vergangenheit nicht mehr produktiv nachdenken. Sie ist Gegenstand nostalgischer Betrachtungen oder wird verdammt, aber nicht mehr als etwas verstanden, das unsere Gegenwart konstituiert, von ihr aufbewahrt wird oder in ihr aufgehoben scheint. Heiner Müller wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass erst aus der Verhandlung der Vergangenheit, aus diesem Transformationsprozess, diesen Reibungen, eine Perspektive für die Zukunft entsteht. Ein Satz wie „Erst wenn Lenin begraben ist, hat der Sozialismus wieder eine Zukunft“ ist der unmittelbare Kurzschluss zwischen der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und der Zukunft. Mit 1989 sind solche Scharnierstellen verschwunden. Wir erleben den Sieg des Westens im Kalten Krieg, etwas, das Helmut Kohl als geistig-moralische Wende proklamierte, als einen totalen Triumphzug der Gegenwart. Jeder geschichtsphilosophisch-utopische Gedanke ist vollkommen diskreditiert. Natürlich gibt es Gründe genug, warum man den utopischen Entwürfen des 19. und 20. Jahrhunderts skeptisch gegenüberstehen sollte. Aber die Konsequenz kann deswegen nicht sein, jede Beschäftigung damit, warum es denn so geworden ist, wie es...