Ein neues Stück gehöre entweder auf die Bühne oder ins Feuer. Darüber entscheide einzig dessen Qualität, und falls der schwerfällige Theaterapparat die Ablehnung verfügt, dann bitte schriftlich, „damit die Nachwelt was zu lachen hat“. Der bittere Humor, den Georg Seidel hier an den Tag legt, war typisch für einen DDR-Dramatiker dieser Generation: Man hatte sich auf jahrelange Genehmigungsverfahren einzulassen. Ein nicht unkomisches Ergebnis dieses Prozederes bestand darin, dass Autoren jenseits der vierzig offiziell als Nachwuchstalente galten. „Wer nicht gespielt wird, bleibt ewig jung“, schlussfolgerte der wie Seidel am Kriegsende geborene Lothar Trolle, dem auch nach dem Verschwinden des DDR-Theaterbetriebs eine große Beharrlichkeit abverlangt wurde. Das war Georg Seidel, der im Juni 1990 starb, nicht vergönnt. Zwar wurde sein Stück „Villa Jugend“ ein Jahr später in Mülheim mit dem renommierten Dramatikerpreis ausgezeichnet, aber in den Kanon der mehr als eine Saison überstehenden Gegenwartsstücke wurde es dennoch nicht aufgenommen. Heute darf bezweifelt werden, dass eine jüngere Generation von Dramaturginnen und Dramaturgen Georg Seidel überhaupt noch kennt.
So ist es äußerst verdienstvoll, dass Kristin Schulz in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste anlässlich des 75. Geburtstags von Seidel im Quintus Verlag eine Sammlung aus dem Nachlass herausgegeben hat. Ein achtzigseitiges Lesestück zum 750-Jahre-Berlin-Jubiläum...