Auftritt
Kampnagel: Die Intimität des Safe Space
„Fruit of Joy“ von Jesseline Preach – Künstlerische Leitung Jesseline Preach, Bühnenbild Dennis Stoecker, Neele Tschaitchian Carrington Sound: Neda Sanai, Jesseline Preach
Assoziationen: Theaterkritiken Hamburg Kampnagel

„Was ist Black Joy für dich? - Alles machen, was ich will, ohne, dass meine Hautfarbe zählt. Und für dich? - Das Leben genießen, ohne das sich Leute an meinem Leid ergötzen. Oder sagen wir einfach, Leben ohne Schmerz!“ „Ahhh, that part“.
Nickend schmiegen sich die beiden Performer aneinander. Den Begriff Black Joy nutzen Schwarze Menschen, um freudvolle Augenblicke und Handlungen in ihrem Leben hervorzuheben. Black Joy ist ein gegensätzliches Modell zu Erzählungen von Schwarzem Trauma und Kampf. Das unsere Gesellschaft Safe Spaces in Sprache und Bewusstsein noch dringlicher verfolgen sollte, diesen Gedanken hinterlässt der performative Abend Fruit of Joy von Jesseline Preach auf Kampnagel.
75 Minuten lässt sie das Publikum in die Intimität des eigenen Lebens blicken. Für Preach, die im deutschen R’n‘B zu Hause ist, ist die performative Installation „Fruit of Joy“ neues Terrain.
In der Mitte des Bühnenraums steht dieses übergroße pinkglitzernde runde (!) Bett, dass ich noch aus den 90ern kenne. Aus der Serie, in der reiche Popstars ihre Rückzugsdomizile gezeigt haben und Jugendliche all over the world neidisch zuschauten. In dem rohen Bühnenraum hat es nichts luxuriöses mehr, und wird zum notwendigen Zufluchtsort der Performerin.
In der Ecke surrt ein beleuchteter Kühlschrank, befüllt mit Whiskey aus der Dose. In der Luft liegt der Duft frischgebackener Waffeln. Mehr Pop und Musikvideo-Ästhetik geht nicht. Hauteng in weißem Outfit, den Afro zu zwei Zöpfchen gebunden an den Füßen helle Crocs – so tritt die Hamburger Künstlerin vors Mikro. Soft prasseln seichte Beats und es hagelt Lines wie „Ich liebe mich mehr, als ich dich liebe“, dann zieht sie sich zurück auf die glitzernde Insel und liest den im Halbkreis arrangierten Zuschauern aus ihrem Tagebuch vor. Schnell wird klar, so dreamy, wie es aussieht, ist ihr Leben nicht. Längst ist sie Mutter!
„Spätestens jetzt müsste doch alles laufen“, gibt sie auf dem Bett liegend preis. Ihr Ex-Freund – ein „privilegierter weißer deutscher Mann“- lag ihr, der „dark skinned mother“, schon viel zu lange auf der Tasche. Immer wieder wiederholt sie privilegiert, weiß, deutsch, Mann und ist fassungslos über das nicht vorhandene Gerechtigkeitsgefühl ihres Ex. Als er ihr auch noch die Zeile „Stay woke“ als Hook für einen neuen Song vorschlägt, winkt sie ab und lässt ihn vorbeiziehen. So wie auch alle anderen Menschen, die ihr nicht guttun. Sie baut sich ihren ersten eigenen Safe Space, und zwar: in sich selbst.
Trotzdem swiped sie gelegentlich durch absurde Tinderprofile: Männer auf Pferden oder mit Victory Zeichen verstärken die Lust auf Alleinsein und Party. Sie greift eine Waffel, einen Whiskey und verlässt die Comfort-Zone. Quer durchs Zimmer folgt ihr das Publikum. Einige greifen sich ein Dosengetränk. Ganz schön intim, so durch fremde Schlafzimmer zu gehen, denkt sich die Autorin dieses Textes. Der zweite Raum ist eher ein Zelt. Das Publikum steht dicht an dicht. Die Luft ist stickig und heiß. In einer kleinen weißen Wanne wäscht Preach eine kleine schwarze Puppe aka ihren Sohn, bevor sie sich für eine Partynacht zurechtmacht. Ein Freund, der zum Babysitten vorbeigekommen ist, singt aus dem Schaukelstuhl in grünem Satin Schlafanzug leise eine Melodie.
Seicht stagniert der Abend in Zuständen und will unbedingt Atmosphäre und Gefühle erzeugen. Doch so richtig gelingt das nicht. Ein paar harte Gitarrenriffs skizzieren, was „Black Joy“ auch meint und viel Potenzial geboten hätte: Eine Feier der Freude als rebellischer Akt, die man auch spürt.
Im dritten Teil wird das Publikum zum Teil der Party. Die große Community unter den Zuschauern, gibt sich euphorisch. Alle tanzen zu den deepen rhythmisch komplexen Beats vom DJ Pult und plötzlich entsteht im im wortlosen Miteinander der Körper so etwas wie ein Safe Space.
„Kämpf ich gegen dich oder kämpf ich gegen mich“, singt Preach in der Menge badend. Ihre Silhouette zeichnet weiche Kurven in den leichten Nebel. Und auch wenn man im amerikanischen Mainstream solche Texte ohne Weiteres akzeptiert, sind sie viel zu allgemein, als dass sie etwas erzählen und zum Mitfühlen verleiten. Im letzten Teil kommt es dann doch noch zu einem Akt der gelebten Freude: In einem eingespielten Video bounct und shaked Preach mit ihrem Sohn befreit und glücklich durch die Küche.
Erschienen am 1.3.2023