Angekommen im Niemandsland
von Jens Bisky
Erschienen in: CHANGES – Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit (10/2021)
Vor dem Haus der Berliner Festspiele, an einem der idyllischen Orte mitten im Großstadtgewusel, die für Berlin so typisch sind, stehen zehn große Plakatwände mit Schwarz-Weiß-Fotografien. Man sieht darauf Menschen in Räumen, die erkennbar nicht die ihren sind und in denen sie doch Platz finden zum Ausruhen, Schauen, Nachsinnen, zum Warten vor allem. Eine Frau mit Kinderwagen steht in einem herrschaftlichen Flur vor verschlossenen Türen, ein junger Mann sitzt auf einem Stuhl vor zwei leeren, getrennt voneinander aufgestellten Betten, ein anderer sitzt im Marmorbad zwischen WC und Doppelwaschbecken. Vereinzelt wirken sie, ihre Gesichter sieht man kaum; sie wenden dem Betrachter den Rücken zu oder haben die Köpfe gesenkt, und meist sind sie verhüllt von Kopftuch oder Kapuze, geborgen in Stoff.
Refugees In A State Apartment heißt die Fotoserie von Jens Ullrich. Sie ist vor dem Haus der Berliner Festspiele in der Schaperstraße zu sehen oder in der Edition der Berliner Festspiele, Nummer 19, die an vielen Orten ausliegt, man kann sie sich auch von der Webseite herunterladen, ausdrucken – und hat dann eines der wenigen gelungenen Kunstwerke zur Berliner Gegenwart zwischen Hauptstadtroutine und Flüchtlingsalltag in der Hand. Hier wird nichts nachgespielt, hier wird nicht Journalismus imitiert – Ullrich hat sich...