Disziplinäre Perspektiven auf Theatermusik
von David Roesner
Erschienen in: Recherchen 151: Theatermusik – Analysen und Gespräche (11/2019)
Wie bereits erwähnt war die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Theater- bzw. Schauspielmusik primär eine historische und philologische.44 Anhand von Quellen wie Noten, Regiebüchern, Theaterzetteln und Ähnlichem konnten Musikeinsätze im Theater Shakespeares, Goethes oder der fahrenden Truppen der Frühen Neuzeit rekonstruiert und analysiert werden. Des Weiteren sind immer wieder die Poetiken der Schauspielmusik, wie z. B. die anhaltende Diskussion über Form, Funktion und Wirkung von Zwischenaktsmusiken, aufgearbeitet worden, zuletzt besonders eingehend von Irmgard Scheitler.45
Das oben skizzierte erweiterte Verständnis dessen, was Theatermusik ist und wie sie untersucht werden könnte, situiert diese Praxis in der Schnittmenge einiger jüngerer Diskurse und Fachperspektiven46, die bisher wenig oder gar nicht mit ihr in Verbindung gebracht wurden. Im abschließenden Kapitel dieses Buches werde ich auf einige dieser Perspektiven zurückkommen, da sie neben ihrem Erklärungspotenzial für die Theatermusik auch Pfade in den ›Dschungel‹ der für dieses Buch geführten Interviews bieten.
Eine erste Perspektive betrifft die disziplinäre Einordnung von Theatermusik, die häufig die Grenzen dessen, was wir konventioneller Weise als ›Musik‹ bezeichnen, überschreitet. Wohin gehört Theatermusik? Zwei jüngere Disziplinen drängen sich neben der Theater- und der Musikwissenschaft auf: Auditive Medienkultur und Sound Studies.47 Rolf Großmann hat die Notwendigkeit einer Neuorientierung im Umgang mit zeitgenössischer...