Gespräch
Was macht das Theater, Oliver Frljić?
von Christian Mayer und Oliver Frljić
Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)
Assoziationen: Debatte Akteure Dossier: Was macht das Theater...?
Oliver Frljic, es wird zurzeit eine heftige Debatte über Flüchtlinge aus vermeintlich „sicheren“ Herkunftsländern wie der Westbalkan-Region geführt. EU-Politiker suchen nach schnellen Lösungen, diese zumeist als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuften Immigranten fernzuhalten. Das Bundesinnenministerium in Deutschland hat sogar ein Aufklärungsvideo gedreht, das den Sehnsuchtsort EU als falsches Versprechen der Schlepper entlarven soll. Wie verfolgt man diese Diskussion in Ihrer Heimat?
Dieses Thema taucht im öffentlichen Diskurs kaum auf. Wenn es dann endlich in die Öffentlichkeit gelangt, wird damit sehr ethnozentrisch umgegangen – die armen Kroaten müssen ihr Heimatland verlassen, weil die Regierung nicht fähig ist, Arbeitsplätze für sie zu schaffen. Niemand spricht über die Tatsache, dass die Unabhängigkeit Kroatiens für legalen Diebstahl von Volkseigentum benutzt wurde, und wie dies mit der derzeitigen Situation, in der mehr und mehr junge Leute entscheiden, das Land zu verlassen, zusammenhängt.
Wie schätzen Sie diese Flüchtlingsbewegungen ein? Zwanzig Jahre nach den Jugoslawienkriegen fliehen wieder Menschen aus einer Region, deren Gesellschaften immer noch um die Neuausrichtung ihrer Identitäten ringen – Ihre Arbeiten handeln davon. Warum sehen die Menschen auf dem Balkan keine Perspektive?
Na ja, mal angenommen, ich wüsste nicht, was hinter dem neoliberalen Programm der EU steht – die wirtschaftliche Neokolonialisierung von Südosteuropa nämlich –, würde ich...