Einleitung
Erschienen in: Recherchen 167: Dramatisch lesen – Wie über neue Dramatik sprechen? (05/2023)
Der Ausgangspunkt für dieses Projekt war die Zäsur, die der erste coronabedingte Lockdown gesetzt hat. Man war auf sich selbst zurückgeworfen; die Theater waren vorerst geschlossen und auch der Probenbetrieb wurde fürs Erste eingestellt. Das Theater im künstlichen Tiefschlaf. Irgendwann kam dann das Gefühl auf, dass man diese Zwangspause auch nutzen könnte, um zu rekapitulieren, was in den letzten Jahren passiert ist. Wo steht die neue Dramatik heute? Um vielleicht auch Schlüsse zu ziehen, wie es weitergehen könnte. Daraus ist ein Dialogprojekt zwischen Dramatiker:innen und Wissenschaftler:innen entstanden. Gespräche, die der Frage nachgehen, in welchem Verhältnis Text und Theater, Schreibende und Lesende zueinander stehen. Wie über Dramatik sprechen? Welches analytische Instrumentarium brauchen wir? Kann man den Theatertext vielleicht als eine Schule des dialogischen Denkens begreifen?
Als Erstes also in die Archive. Wie bildet sich das dramatische Schaffen in den wissenschaftlichen Diskursen ab? Die Recherche in den Bibliotheken ist allerdings eher ernüchternd, man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich in den letzten fünfzehn Jahre wenig in der Gegenwartsdramatik getan hat. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, selten gab es ein so breites Spektrum an ästhetischen Positionen, an unterschiedlichen Arbeitsweisen, an verschiedenen Textformen im Theater. Und auch die gegen Ende der nuller Jahre...