Montage kultureller Attraktionen
Frank Castorfs medienästhetische Theaterpraxis der achtziger Jahre
von Erhard Ertel
Erschienen in: Arbeitsbuch 2016: Castorf (07/2016)
1.
Frank Castorf kam aus der Tiefe des Raumes. In der Provinz, in Anklam begann seine spiralförmige Odyssee, auf der er sich in den achtziger Jahren auf Berlin zubewegte, um dort durch die Hintertür in jenes Haus einzutreten, in dem er in den neunziger Jahren Theatergeschichte schreiben sollte.1
Auf dieser Odyssee entwickelte er in teilweise legendären Inszenierungen seine Theaterästhetik, deren Strukturen in Anklam2 entfaltet, dann on the road3 erprobt und weitergetragen wurden. Der archaische Ausbruch dieser damals ungewöhnlichen Art, Theater zu spielen, begann 1982 mit Shakespeares „Othello“ und fand 1990 mit „Räuber von Schiller“ als Epilog dieser Arbeitsepoche ein Ende.
Die intellektuelle, politische und kulturelle Prägung Castorfs aber hatte im Zentrum begonnen, in Berlin. Aus dem Dunkel des ersten Scheiterns und subkultureller Verkanntheit herausgeschleudert, gewährleistete das Anklamer Exil, dass aus dem Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Sein ein radikales Sich-selbst-Finden wurde.
… lesen, Musik hören, fernsehen, lesen, diskutieren, fernsehen, Musik hören, lesen …
Was sich hier abspielte, war ein uneingeschränkter Prozess der ursprünglichen kulturellen Akkumulation, vor allem auch medialer (oder medial vermittelter) Kultur. Hier wurden nicht nur Erfahrungswelten aufgehäuft, Weltsichten ausgeformt, sondern auch Materialdepots angelegt, die als Ausdrucksrepertoire für eine lange Inszenierungskarriere reichen sollten.
2.
Versteht man Kulturen als geformte und verdichtete...