1. Arbeiten – Überlegungen zu einer alltäglichen Praktik
von Yana Prinsloo
Erschienen in: Recherchen 175: Theaterarbeit – Praktiken der Freien Szene (08/2025)
Wann auch immer Kunst und Theater in Zeiten spürbarer Krisen oder weit reichender Umbrüche aufregend interessant, ja gelegentlich gar lebenswichtig erscheinen, haben sie stets mit Gesten des Zweifelns zu tun, […] und es eröffnen sich Möglichkeiten des Fragens, der Infragestellung wie plötzlich aufspringende Fenster.
Eine Frau steht mit dem Rücken zum Publikum.1 An ihren Bewegungen ist zu erkennen, dass sie seit geraumer Zeit ein Kind in ihren Armen wiegt. Sie wirkt schwerfällig, angestrengt, übermüdet. Am rechten Bühnenrand lesen zwei Frauen aus einem Kündigungsvertrag. Aus der Sicht der Frauen sollte die tröstende Mutter die (Arbeits-)Beziehung zu ihrer Tochter unverzüglich beenden: Die mütterliche Arbeitsbelastung – inklusive der unkalkulierbaren Arbeitszeiten – sei unzumutbar. Eine angemessene finanzielle Rückvergütung sei nicht vorgesehen. Der Leidensdruck der Mutter sei aus ihrer Perspektive extrem hoch. Die Mutter zeigt sich irritiert, schaut kurz und kommentarlos in Richtung der Protestierenden und fährt fort, das Kind zu trösten.
Diese Szene ist Teil der Performance Motherhood – A Performance Evaluation der Regisseurin Monika Truong,2 die am 2. April 2022 in der Züricher Gessnerallee uraufgeführt wurde. Reflektiert wird am Beispiel von Truongs eigener Mutterschaft die Dichotomie von Arbeit und Nicht-Arbeit in der Care-Arbeit3 sowie in der Freien Szene:4 Mutterschaft...