Gespräch
„Straßenköter wissen viel vom Leben“
Begeistert von Berlin
von Charly Hübner und Hans-Dieter Schütt
Erschienen in: backstage: HÜBNER (01/2023)
Assoziationen: Akteure
HANS-DIETER SCHÜTT: … und eines Tages also war der Mecklenburger Hübner nach Berlin gekommen. Schauspielschule.
CHARLY HÜBNER: Von Berlin war ich begeistert. Frank Castorf an der Volksbühne, Andrea Breth an der Schaubühne, Thomas Langhoff am Deutschen Theater, Albert Hetterle noch am Gorki-Theater, am Schiller-Theater der ganze westdeutsche Überbau, das nahm mich mit, das nahm mich ein, das war mein neues Metal-Universum. Peter Zadeks Kirschgarten sah ich in Berlin und fragte mich, warum ich diese Leute wieder und wieder sehen möchte, welche Kräfte da auf mich wirkten, wie die das nur machten, die Angela Winkler, der Ulrich Wildgruber, der spillrige Hermann Lause. Oder diese wunderbaren Marthaler-Menschen in Murx den Europäer! an der Volksbühne. Lauter Missratene, die nicht wissen wollen, ob sie vor oder nach der Apokalypse leben.
Die tanzten ganz langsam den Apocalypso – in einem Vakuum der verrücktesten Bewegungszwänge und Körperverdrehtheiten.
Christoph Marthaler rührt nicht an den Schlaf der Welt, sein Theater ist der Schlaf. Es ist der Schlaf der Vernunft, und der gebiert nicht Monster, wie es landläufig heißt, der gebiert den viel schlimmeren Traum, der davon handelt, dass das böse Erwachen gar nicht mehr stattfindet.
Es findet sehr wohl statt, dann nämlich, wenn die vermeintliche Vernunft...