Trau keinem Auge
Für Erich Wonder
von Heiner Goebbels
Erschienen in: Recherchen 96: Ästhetik der Abwesenheit – Texte zum Theater (08/2012)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr, heute Abend Laudator zu sein, denn dir, lieber Erich Wonder, diesen Preis zu verleihen, ist für mich als Theatermacher eine wunderbare Gelegenheit, zurückzugeben, was ich im Laufe der letzten 25 Jahre von dir bekommen und gelernt habe. In dieser Hinsicht „oute“ ich mich gerne auch als Wonderschüler.
Als junger Theater-Komponist, ich hatte damals gerade an den Frankfurter Städtischen Bühnen angefangen, habe ich zum Beispiel einen radikalen schwarzen Würfel erlebt, der nur gelegentlich vom gleißend blendenden Strahl eines scheibenwischerartigen Lichtarms ausgewischt wurde. Es war Erich Wonders Raum als starkes Pendant der Hölderlinschen Verse (nach Sophokles) in Christof Nels Antigone. Ich konnte auch erfahren, welche Musik dieser Würfel erträgt und welche nicht. Und, ich weiß das nicht mehr genau, vielleicht hat mich dieser schwarze Würfel auch dazu angeregt, mit dem antiken Chor, der in heutigen trivialen bunten Kostümen auftrat, einen Schlager einzustudieren; das war mühsam, denn der Refrain ging: „Ene mene ming mang ping pang ene mene acka dacka eia weia weg.“
Der Raum hat die bewusst „ungeheuerliche“ ästhetische Fallhöhe ausgehalten, im Gegenteil: Er gewann an Instanz und Form. Mit diesem Raum hat Wonder auch schlagend bewiesen, dass starke Räume und...