Herr Netzer, Sie haben 2005 das Festival Origen gegründet – auf der Burg Riom nahe dem knapp 350-Seelen- Dorf Riom-Parsonz, das auf über 1200 Höhenmetern liegt. Sie bespielen sogar den Julierpass in 2200 Metern Höhe. Wie kommt man auf die Idee, gerade dort ein Festival zu initiieren? Zumal eines, das jetzt erstmals auch im Winter stattfindet.
Ich bin in den Bergen aufgewachsen. Das Hochgebirge ist für mich ein Ort der Inspiration, mit ausreichender Einsamkeit, die konzentrierte Intensität ermöglicht. Ich mag es nicht, fortdauernd zerstreut zu werden, ich möchte nicht unablässig unterhalten werden. Das beschauliche Dorf verspricht Wärme, Geborgenheit, Bodenhaftung. Die Bergriesen, die das Dorf fassen, sind voller Mythen, die erzählt werden wollen. Am Pass, weiter oben, stoßen die Kulturen zusammen, der blumige Süden, der karge Norden, die Sprachen, die Konfessionen, die Lebensarten. Über den Julierpass wurde in der Bronzezeit Bernstein nach Ägypten transportiert, die Römer haben die Passhöhe mit Tempelbauten bestückt, später verirrte sich dort der junge Kaiser Friedrich II. im Nebel, dann kamen Panzersperren, gottlob keine Armeen. Die Berge sind mein Theater, da gibt es mythische Stoffe, gewaltiges Lichtdesign, echte Stürme und berückende Bühnenbilder.
Ja, es sind atemberaubende Bilder, die dort entstehen. Aber hat vor der Kulisse dieses Naturspektakels...