Nach dem Ausprobieren folgt die Probe
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
Was der Darsteller ausprobiert hat, wird „behandelt“. Sein Angebot wird vom Spielleiter und anderen Zuschauern beschrieben. Schon die Beschreibung, entstehend vor allem aus Empfindungen, setzt Akzente. „Da hat der Spieler schon Überzeugendes gefunden“, empfand einer. „Es gab Unklarheiten, Durchhänger und Hilflosigkeiten, starke Entwicklungen, Auf-der-Stelle-Treten, Spreu und Weizen, Annäherungen an das Ziel und Entfernen. Es gab Perspektiven und Stillstand“, empfanden andere. Schöne Momente, erregende Augenblicke, wirkliche Entdeckungen, bewegende Details werden beschrieben.
Die Beschreibung betont das Interessierende, das Angekommene, das Nichtverstandene und das Neugierigmachende, das Aussichtsreiche. Da jeder Zuschauer anders sieht, auch empfindet und sich anders mitteilt, bekommt der Spieler sehr unterschiedliche oder auch ähnliche Eindrücke zurück. Er ist nicht selten erstaunt, was alles empfunden wurde bei dem, was er doch nur ausprobiert hat. Wenn er jetzt wiederholt, werden sich diese Momente in seiner Darstellung wichtiger machen als jene, die in der Beschreibung nicht aufgetaucht sind. Ihnen gilt seine besondere Aufmerksamkeit. Es findet eine Art natürlicher Auswahl statt.
Bei einer Aufführung von Carlo Gozzis Der Rabe 1980 im Nationaltheater Weimar improvisierten Truffaldino und Brighella. Es entstanden unter anderem auch einige politische Anspielungen. Ein Aufpasser gab diese weiter und eine Wiederholung wurde „von oben“ untersagt. Doch bei der nächsten Aufführung wiederholten die Schauspieler...