Theater der Zeit

Magazin

Schwarz. Deutsch. Aktivistisch

Natasha A. Kelly erzählt ihre Lebensund Ermächtigungsgeschichte

von Friederike Felbeck

Erschienen in: Theater der Zeit: Theater in Slowenien – Karin Beier: Antike als große Geste (10/2023)

Assoziationen: Buchrezensionen

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Es ist ein unsere gemeinsame Wirklichkeit bereicherndes Buch, das Natasha Kelly vorgelegt hat. In 35 Miniaturen bespielt die Autorin einen Triangel aus Dekolonialismus, Autobiografie und Porträts persönlicher Leitbilder von Frantz Fanon über May Ayim bis zu Tracy Chapman, Arabella Kiesbauer und „Bauer sucht Frau“. Zwischen Tagebuch und Antrittsvorlesung angesiedelt, öffnet sie weit die Türen zu bekannten und unbekannten Schwarzen Pionierinnen. In einem ungewohnt versöhnlichen Ton beschreibt Natasha Kelly, selbsterklärte Vollzeitaktivistin und radikale Schwarze Feministin, wie sie sich selbst ihre Heldinnen erst heranziehen musste. Dabei ist ihr Bericht eines Heranwachsens im Deutschland der 1970er und 80er Jahre frappierend. Eine Historie von Verletzungen, verwehrten Chancen und einem Mangel an geeigneten Vorbildern.

Eine Erinnerung gilt Audre Lorde, einer Wegbereiterin für Schwarze Freiheit in Deutschland, deren provokative Selbst-Labelung als „Schwarze, Lesbe, Mutter, Kriegerin, Poetin“ vielleicht auch den Titel „Schwarz. Deutsch. Weiblich“ mit modelliert hat. Eine weitere Protagonistin im Universum von Kelly ist die Schriftstellerin Alice Walker („Die Farbe Lila“).

Keine Zadie Smith, keine Bernardine Evaristo, deren Romantitel „Mädchen, Frau etc.“ ebenfalls mit Zuschreibungen spielt. Warum? Kelly nimmt für ihren Parcours zahlreiche Abkürzungen in Kauf, manchmal ist ihrer Argumentation nicht leicht zu folgen. Die historischen Beispiele, werden an Punkten ihrer Biografie in einen Zusammenhang gestellt, wo sie notwendig waren, ihre eigenen Theorien und Kämpfe geschärft haben. Das macht die Lektüre sprunghaft. Was bleibt ist ihr leidenschaftliches Plädoyer für einen erweiterten Feminismus, erweitert um Rassismuserfahrungen und Marginalisierung.

In ihrer Jugend, schreibt sie, habe sie sich oft gefragt, ob sie eine richtige Frau sei oder jemals werden kann. „Nun bin ich intelligent und schön“, resümiert sie nicht ohne Humor. Ihre künftigen Herausforderungen geben ihr Recht: Als promovierte Kommunikationswissenschaftlerin erhält sie ab Wintersemester 2023/2024 eine Gastprofessur im Fachgebiet „Kulturwissenschaft“ vom Studium Generale der UdK.

Das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Düsseldorf haben ihr die Tür aufgehalten und den roten Teppich ausgerollt: Allein das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen fördert den 2021 gegründeten Black German Arts and Culture e.V. in diesem Jahr mit 49.996 Euro für die Durchführung des Projekts „Die nubische Wasserträgerin – eine transmediale Theaterproduktion“, bestätigt ein Sprecher. Indem sich Kelly die Skulptur der Nubierin als Ausgangspunkt für ihre Performance sucht, wählt sie eine Schlüsselfigur der Düsseldorfer Stadtgeschichte.

Gibt es einen Zusammenhang mit dem Rassismus-Skandal am Düsseldorfer Schauspielhaus Anfang 2021? Eine eigene Inszenierung brach Kelly seinerzeit als Reaktion auf die Vorwürfe eines Ensemblemitglieds hin vorzeitig ab und forderte in einem offenen Brief gemeinsam mit 21 Schwarzen Theatermacher:innen und Theatermacher:innen of Colour „die Schaffung einer unabhängigen, selbstorganisierten Bühne mit einer finanziellen Ausstattung von 600.000 bis 800.00 Euro jährlich und einer mindestens vierjährigen Planungssicherheit.“

Marginalisierte Gruppen brauchen ihren eigenen Ort, so die zuständige Beigeordnete für Kultur und Integration, Miriam Koch. Kelly sei mit einem überzeugenden Konzept an Stadt und Land herangetreten und so unterstützt auch die Stadt Düsseldorf im Rahmen einer Pilotförderung mit bis zu 50.000 € den Auftakt und reicht perspektivisch gleich eine eigene Spielstätte dazu: Die Studiobühne Louise Dumont im Theatermuseum, das – eben noch kurz vor der Schließung – unter der neuen Leitung durch Sascha Förster einen spektakulär staubfreien Aufschwung erfahren hat.

Dabei hat der darauffolgende Debatten-Sturm der Stadt sehr gutgetan hat und war in seinem immer größer werdenden Radius der Anfang einer Kette aus Offenlegungen von Macht und Missbrauch an Theatern. Nun ist mit Natasha Kelly und dem Black Germans Arts and Culture e.V. weiter Bewegung in der Sache.

 

Natasha A. Kelly, Schwarz. Deutsch. Weiblich, Piper Verlag, München 2023, 304 S., Print 22 Euro, E-Book 19,99 Euro

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