Von den physischen Handlungen
Quelle 8
von Konstantin Sergejewitsch Stanislawski
Erschienen in: Lektionen 3: Schauspielen Theorie (12/2010)
Assoziationen: Schauspiel
Arkadij Nikolajewitsch sprach wiederum zu uns über die psychotechnische Methode, das „Leben des menschlichen Geistes der Rolle“ durch deren „menschliches Körperleben“ zu schaffen. Seine Gedanken erläuterte er wie immer an Hand von Gleichnissen.
„Haben Sie einmal eine Reise gemacht?“ fragte er und fuhr fort: „Wenn das der Fall ist, dann sind Ihnen die Veränderungen, die während der Fahrt sowohl in der Seele des Reisenden als auch in seiner Umgebung vor sich gehen, wohl bekannt. Haben Sie bemerkt, daß sogar der Zug, in dem Sie sitzen, sich während der Fahrt – je nach den Ländern, die Sie durcheilen – verwandelt, und zwar sowohl innen als auch außen?
Bei der Abfahrt sieht der in der Wintersonne glänzende Waggon wie neu aus. Auf dem Dache liegt dichter Schnee. Man könnte meinen, er wäre mit einem reinen Tischtuch bedeckt. Drinnen aber ist es winterlich düster. Kaum dringt das Tageslicht durch die zugefrorenen Fensterscheiben. Der Abschied von den Lieben, die Sie an die Bahn brachten, legt sich Ihnen auf das Gemüt. Trübe Gedanken bemächtigen sich Ihrer. Sie denken an die, welche Sie zurückgelassen haben.
Das Schaukeln des Wagens und das Stampfen der Räder wirken einschläfernd. Es dämmert. Der Schlaf überkommt Sie. Tag und Nacht vergehen....